Auch um Heizung und Brot muss Tag für Tag gerungen werden

Am Samstag, den 04.03.2023, versammelten sich mehr als 60 Personen auf dem Markt Reutershagen in Rostock, um für Heizung, Brot und Frieden zu demonstrieren. Anbei veröffentlichen wir den Redebeitrag unseres Genossen Daniel Schikora:

Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freunde des Friedens,

just in den vergangenen Tagen konnten wir erleben, dass die Politik der Bundesregierung, gegen die auch unser Bündnis Heizung, Brot & Frieden ins Leben gerufen worden war, mitnichten Ausdruck eines Konsenses aller „staatstragenden“ Kräfte Deutschlands ist. So versammelten sich am vergangenen Samstag in Berlin (nach Angaben der Veranstalter) 50.000 Menschen, um für eine Verhandlungslösung im Ukrainekonflikt zu demonstrieren. In Anbetracht der in großen Teilen abwertenden bis diffamierenden leitmedialen Berichterstattung über Alice Schwarzers und Sahra Wagenknechts „Manifest“, das dem Demonstrationsaufruf zugrunde lag, bereits im Vorfeld der Veranstaltung war dies ein großer Erfolg, zumal die Kundgebung, an der auch einige von uns teilgenommen haben, den Unkenrufen selbst von ‚linker‘ Seite zum Trotz nicht von irgendwelchen Elementen der extremen Rechten, etwa der AfD, in großem Stile ‚unterlaufen‘ oder gar ‚gekapert‘ worden ist.

Infolge dieses propagandistischen Misserfolgs der antirussischen Hardliner in Regierung und Leitmedien wird nun verstärkt auf die unmittelbare Diffamierung der führenden Akteure des Protests gesetzt – momentan arbeitet man sich hier hauptsächlich an den beiden Galionsfiguren des „Manifests“, Wagenknecht und Schwarzer, ab. Die tatsächlich auch frauenfeindlichen Tiraden insbesondere gegen die Feministin Schwarzer, die gezielt in den Ruch einer (weiblichen) Propagandistin des Verständnisses für Mord und Vergewaltigung gebracht werden soll, sprechen Bände über eine zunehmende Verrohung des politischen Diskurses – eine Verrohung, die recht eigentlich jeden, der faschistische Tendenzen verabscheut (oder zu verabscheuen vorgibt), zutiefst abstoßen müsste, auch völlig unabhängig davon, ob oder inwieweit er in Sachen Ukraine mit Schwarzer (oder gar mit uns) übereinstimmt.

Es ist alarmierend, wie wenig mittlerweile eine „liberale“ Öffentlichkeit solche Kampagnen des Rufmordes bekümmern. Diese richten sich nicht „nur“ gegen einzelne Personen des öffentlichen Lebens, sondern letztlich gegen die Gesamtheit etwa der Unterstützerinnen und Unterstützer des „Manifests“, die zumindest in puncto Waffenlieferungen die Bedenken der Mehrheit der Bevölkerung artikulierten – und darüber hinausgehend gegen bestimmte politische Traditionen nicht nur der Arbeiterbewegung, sondern auch des liberalen Bürgertums – des Pazifismus wie des bürgerlichen Feminismus –, mit denen sich die Bellizisten der Gegenwart vor nicht allzu langer Zeit noch gern selbst schmückten, bevor sie den „Lumpenpazifisten“ als Feindfigur entdeckten.

Der Pazifist als vermeintlicher Unterstützer von Angriffskriegen, die feministische Aktivistin als vermeintliche Fürsprecherin straffreier Vergewaltigung, unsere antifaschistische Tradition als vermeintliche Stütze einer ominösen Rechtsoffenheit, einer „Querfront“, eines Schulterschlusses mit der extremen Rechten: An dieser Art Ideologiemüll wird natürlich festgehalten, auch wenn gerade der Verlauf der Friedenskundgebung in Berlin wie der zahlreichen weiteren Manifestationen einer zum Ärger der Kriegstreiber quicklebendigen Friedensbewegung seine Träger Lügen straft.

Wagenknecht hat am Samstag völlig zu Recht darauf verwiesen, dass diejenigen, die mit solchen absurden Vorwürfen an die Gegner einer Politik der militärischen Eskalation – also einer Politik, die Brigadegeneral a. D. Erich Vad treffend als „Militarismus pur“ charakterisierte – hausieren gehen, es nicht über sich bringen, die tatsächliche Rehabilitierung von Völkerhass und faschistischer Tradition durch Repräsentanten der derzeitigen Machthaber in Kiew wie den Bandera-Fan und langjährigen ukrainischen Botschafter in Berlin Melnyk zu missbilligen. Dabei gehen der hemmungslose Hass auf Russland und alles Russische einerseits und die offene Rehabilitierung des deutschen Nazismus andererseits durchaus auch von Deutschen selbst aus, wie das folgende Zitat vor Augen führt:

„Russland wollte ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in ‚die Riege der europäischen Großmächte‘ aufsteigen. Das große russische Reich konnte seine damalige Größe nur durch Siedlungseroberung erreichen, wobei die Expansion nicht Übersee sondern auf den Norden, asiatische Nachbarländer und die indigene Bevölkerung im Süden abzielte. Den damaligen Höhepunkt stellte 1941 die ‚Operation Barbarossa‘ dar.“

Dieses Statement, das sich nun wirklich in nichts von den Auswürfen Goebbelsscher und später „klassisch“ neonazistischer Hetze unterscheidet, stammt von der Grünen Jugend München, die auf kritische Nachfragen hin in puncto 1941 zurückruderte und erklärte, ihr sei „bei der Recherche ein Fehler unterlaufen“. Es wäre an dieser Stelle falsch, darüber zu witzeln, dass der Geschichtsunterricht hier offenbar nicht nur freitags geschwänzt wurde – dies würde darüber hinwegtäuschen, dass solche ungeheuerlichen Ausfälle nicht auf Wissenslücken Einzelner zurückgehen, sondern wir es mit geschichtspolitischen Fake News, sprich: Lügen zu tun haben mit dem Ziel nicht nur der Dämonisierung Russlands, sondern auch der Rechtfertigung letztlich aller Versuche – auch des Hitlerschen –, Russland als Staat auszulöschen.

In unserer Perspektive unabdingbar ist es, die gemeinsamen Interessen all derer aufzuzeigen, die derzeit EU-weit für ihre „Europaverteidigung“ mobilisieren – auf unsere Kosten! Das dänische Parlament beschloss ganz in ihrem Geiste nun die Abschaffung des Großen Gebettages als Feiertag mit der expliziten Begründung, hierdurch 3 Milliarden dänische Kronen (400 Millionen Euro) für die „Verteidigung“ bereitzustellen, also, wie es Bischof Henrik Stubkjaer auf den Punkt brachte, aus dem großen Bet-Tag einen „großen Bombentag“ zu machen. Der Vorstoß der dänischen Reaktion fand in Deutschland einen begeisterten Widerhall im Plädoyer etwa seitens der CDU, auch hierzulande im Interesse verstärkter Aufrüstung auf Feiertage zu verzichten.

Als Bündnis verschiedener linker, antifaschistischer Organisationen hat Heizung, Brot & Frieden von Beginn an darauf gesetzt, den Kampf gegen Kriegsvorbereitung und den Widerstand gegen Energiepreistreiberei und den Sozial- und Demokratieabbau als programmatische Einheit zu begreifen und dies auch nach außen zu propagieren. Daher sammeln wir – auch hier vor Ort – für die Kampagne unserer Kolleginnen und Kollegen von ver.di „Kampf um jeden Arbeitsplatz“ (der Galeria Karstadt Kaufhof). Nicht „nur“ um den Frieden, auch um Heizung und Brot muss Tag für Tag gerungen werden, der Klassenkampf verträgt keinen ‚Aufschub‘, auch wenn dies den Herrschenden und deren „Frieren gegen Putin“-Claqueuren nicht gefallen mag.

Newsletter abonnieren!

Kommentare sind geschlossen.