Weltfriedenstag: „Wir vertrauen der Kraft der Erinnerung.“

Folgend veröffentlichen wir den Redebeitrag von Raimund Ernst, den er am 01. September 2019 – dem Weltfriedenstag – in Rostock Warnemünde hielt.

„Werte Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Freundinnen und Freunde!
Genossinnen und Genossen!

Und wieder jährt sich der 1. September. Und wieder tragen wir unseren Protest gegen Hochrüstung und Kriegsgefahr auf die Straße.

Der 1. September oder Weltfriedenstag wie es im Osten heißt bzw. der Antikriegstag wie er im Westen genannt wird, die unterschiedlichen Benennungen allein drücken schon die Unterschiede in der Geschichte des 1. September aus.

Weltfriedenstag im Osten: Ein erstes Treffen fand statt am 1. September 1946 als „Weltfriedenstag der Jugend“. Schon bald war dann in der Deutschen Demokratischen Republik dieser Tag aus der politischen Erinnerungskultur nicht mehr wegzudenken. Der Name steht in der Tradition des Sozialismus und des Versuchs, ihm in vielen Staaten eine Heimat zu geben, mit der Verpflichtung nach dem zweiten Weltkrieg, es nie wieder zu einem solchen Völkermorden kommen zu lassen. Alle Kräfte waren auf den Erhalt des Friedens gerichtet, dies schloss eigene Rüstungsanstrengungen in einem solchen Ausmaß ein, dass die Substanz des Sozialismus und seine staatliche Weiterentwicklung Schaden nahm bis hin zu seiner vorläufigen Niederlage.

Antikriegstag im Westen, das bedeutete Kampf der Demokraten und friedliebenden Kräfte gegen einen kapitalistischen Staat, der in einem imperialistischen Militärbündnis eingebunden, Krieg wieder führbar machen wollte und schließlich auch wieder gemacht hat. Der Antikriegstag in der alten Bundesrepublik ist nicht zu trennen vom Kampf gegen die Wiederbewaffnung in den 50er Jahren und die Einführung der Wehrpflicht. Initiative hierzu hatte ergriffen der DGB am 1. September 1957, es schlossen sich ihm nur wenig später verschiedene Jugendorganisationen an, vereinigt in der „Antimilitaristischen Aktion“.

Seither sind auch in der neuen, alten Bundesrepublik Gewerkschaften und der Kampf für den Erhalt des Friedens nicht zu trennen.

Mit dem 1. September 2019 gedenken wir eines weiteren Jubiläums: Heute vor 80 Jahren begann mit Hitlers Überfall auf Polen der zweite Weltkrieg, die bislang größte kriegerische Katastrophe in der Geschichte der Menschheit. Die antifaschistischen und Friedenskräfte waren damals zu schwach, u. a. weil zerstritten und leichtgläubig, um der offenkundigen Aggressivität des deutschen Faschismus entschlossen entgegenzutreten. Erst nach unvorstellbaren Opfern der Völker wurden die Welt, Europa und nicht zuletzt auch Deutschland selbst, der Urheber dieser Kriegsgräuel, befreit.

Die Hoffnungen, die sich mit dieser Befreiung verbunden hatten, erfüllten sich bekanntlich nicht. Es begann die Zeit des Kalten Krieges und des Wettrüstens. Das erstarkende sozialistische Lager, die sogenannten Blockfreien und die jungen Nationalstaaten sollten mit der imperialistischen Hochrüstung in die Knie gezwungen werden. Und als es dann nach 1990 so weit war, schwand die Kriegsgefahr nicht, im Gegenteil: das Führen von Kriegen, der bedenkenlose Einsatz kriegerischer Mittel zur Lösung politischer Konflikte nahm immer weiter zu. Und heute stehen wir näher am Rand eines großen Krieges als jemals zuvor.

Woran das liegt? Die Kriegsgefahr ging eben nicht vom Sozialismus aus, sondern allen voran vom US-Imperialismus mit seinem Weltmachtstreben und seinen gleichfalls imperialistischen Verbündeten. Es liegt im Wesen ihrer Gesellschaftsordnung, die dem Kapital Vorrang gibt und seinem zügellosen Verwertungsdrang. Alles hat sich dem großen Geld unterzuordnen, wird seinem Diktat unterworfen, alle haben seinen Gesetzen zu folgen. Krieg – das heißt immer konkret Krieg um Rohstoffe, besonders Erdöl, und um Absatzmärkte. Nicht am Hindukusch wird unsere Demokratie verteidigt, sondern verteidigt werden hier und anderswo die Handelswege, die eine ungehinderte Ausbeutung der Rohstoffe zugunsten des großen Kapitals garantieren.

„Leeres Wort der Armen Rechte“ heißt es in der Internationale, leeres Wort der Völker Souveränität und Autonomie muss man heutzutage ergänzen.

Das beweisen nur zu deutlich auch die großen Rüstungsanstrengungen in unserem Lande. So sollen in den Ausbau des Rostocker Marinekommandos und des Stützpunktes „Hohe Düne“ mehrere Millionen Euro fließen. Insgesamt will die Bundeswehr fünf Korvetten in Rostock stationieren. Ein neues Führungszentrum der Marine dient der Planung maritimer Operationen an der Nordostflanke der NATO und kann im sogenannten Bedarfsfall zum Führungsstab der Nato werden. Vor unserer Haustür wird unter der demagogischen Behauptung der Verteidigung der Krieg gegen Russland vorbereitet. Schon einmal ist ein solchermaßen vorbereiteter Krieg vor unsere Haustür zurückgekehrt.

Das beweisen in gleicher Weise die Umweltschäden, die allein der zügellosen Aufrüstung geschuldet sind. Aufrüstung und Umweltzerstörung sind zwei Seiten einer Medaille. Der weltweit größte Umweltsünder ist das US-Militär. Es hat seit 2002 1,3 Milliarden Tonnen Treibhausgase in die Luft geblasen, 400 Millionen Tonnen sind unmittelbare Folge kriegerischer Auseinandersetzungen der USA. Das US-Verteidigungsministerium ist der weltgrößte einzelne Verbraucher fossiler Brennstoffe. Daher ist jeder Schritt konkrete Abrüstung auch immer ein Beitrag zum Klimaschutz. Und umgekehrt kann nicht für den Klimaschutz mobilisiert werden, wenn man die verheerenden Folgen von Rüstung und Krieg ignoriert.

Wir sind hier zusammengekommen, um uns zu erinnern, um auch andere zu erinnern. In dieser Erinnerungsarbeit werden wir nicht nachlassen. Wir vertrauen der Kraft der Erinnerung. Denn: Nichts ist gewaltiger als eine Erinnerung, die nicht auszulöschen ist.“

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