Kurz erklärt: Wohneigentum statt Mietverhältnis?

Vorwort
Kann die Wohnungsfrage durch den Kauf der eigenen vier Wände gelöst werden? Die Unabhängigkeit vom Vermieter scheint verlockend, doch schon Friedrich Engels warnte 1872 in seiner Schrift „Zur Wohnungsnot“ vor diesem Ansatz der Sozialdemokratie. Auch die UZ-Dokumentation „Die Wohnungsfrage ist eine Klassenfrage“ geht bereits in der ersten Auflage auch auf dieses Thema ein, da es seine Aktualität nicht verloren hat.
Wer beide Schriften noch nicht kennt, dem seien sie hiermit empfohlen. Dennoch möchten wir in der „Kurz erklärt“-Rubrik einen Einblick in die Problematik geben.

Wie werde ich Eigentümer?
Zum Erwerb einer Immobilie ist bekanntlich eine große Summe Geld die Grundvoraussetzung. Die Person müsste sich an eine Bank wenden, welche die Kreditwürdigkeit beurteilt und den Betrag vorschießt. Im Anschluss müsste statt Mietzins nun der Kreditzins gezahlt werden. Es sei denn, die Person ist so vermögend, eine Großanschaffung wie ein Haus oder eine Eigentumswohnung direkt zahlen zu können. Solche Personen sind allerdings zu keinem Zeitpunkt von Wohnungsnot betroffen.

Nie mehr Miete zahlen?
Nun könnte entgegnet werden, dass Miete fortwährend gezahlt werden muss, während Kredite irgendwann beglichen sind. Ein Vorteil, ja – allerdings ein Vorteil, der nur besteht, wenn die Person eine hohe Kreditwürdigkeit aufweist und diese aufrechterhalten kann. Das trifft auf Arbeitslose, Geringverdienende, Studierende, Azubis, Altersrentner, Flüchtlinge usw. nicht zu. Der individuelle Besitz der eigenen vier Wände ist demnach nur eine Lösung für Menschen, welche mindestens über ein gutes und sicheres Einkommen verfügen oder sogar vermögend sind.

Hindernisse
Berufe und Biografien, welche zwar gute und sichere Löhne hergeben, aber Umzüge erfordern, scheiden ebenfalls aus. Diese Personen wären bei jedem Verkauf und Kauf den Schwankungen des Marktes und den Preisunterschieden der Wohnorte ausgeliefert.

Mit diesem Konzept entsteht zudem aus den Vermögen Einzelner kein zusätzlicher Wohnraum, da jeder nur für sich bauen lässt. Selbst im günstigsten Fall bleibt der Nachwelt lediglich der geschaffene Wohnraum erhalten. Dem gegenüber steht das Bevölkerungswachstum.

Hinzu kommt, dass solche Hauseigentümer mit zunehmendem Alter in der Regel teure Investitionen einstellen. Wer möchte schon in den letzten Lebensjahren auf einer Baustelle leben, dessen Ergebnis er nicht mehr lange genießen kann? Modernisierung und Instandhaltung werden also vernachlässigt.

Fazit
Ein Ansatz, welcher größte Bevölkerungsteile ausschließt und jeder neuen Generation lediglich die jeweils abgewohnten Bauten hinterlässt, ist keine soziale Lösung der Wohnungsfrage.

Der individuelle Besitz von Häusern oder Eigentumswohnungen zum reinen Zweck der eigenen Unterbringung verhält sich gewissermaßen neutral gegenüber der Wohnungsfrage. Es wird keine Wohnung nachgefragt und keine angeboten. Weder Mieter noch Vermieter treten in Erscheinung. Es schadet nicht und hilft auch nicht.

Engels merkt auch an, dass nicht selten das private Wohneigentum staatlich gefördert wurde, um eine zwar lohnabhängige, aber zugleich auch besitzende Schicht herauszubilden. Diese ist gefügiger, da sie mehr zu verlieren hat, als „ihre Ketten“.

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