Ilja Ehrenburg bleibt!

Pünktlich zum 17. Juni dieses Jahres haben in Rostock eine Partei und ihr Jugendverband sich erneut auf die „Namensgebung der Ilja-Ehrenburg-Straße im Rostocker Ortsteil Toitenwinkel“ eingeschossen, um sich geschichtspolitisch ins rechte Licht zu setzen. Seit 20 Jahren hätten sich Mitglieder des CDU-Jugendverbandes dafür eingesetzt, dass der Name Ilja Ehrenburgs „aus dem Straßenbild Rostocks verschwinde“ (OZ, 19.6.2017). „Er war einer der Propagandisten des Zweiten Weltkriegs“, hält der Kreisvorsitzende der Partei im Jahr 2017 dem jüdisch-sowjetischen Schriftsteller vor. „Wenn es eine Ehrenburg-Straße gibt, müsste es auch eine Goebbels-Straße geben“, meint der Kreisvorsitzende.

Die aktuelle Provokation geht nicht etwa von der NPD und ihrem Jugendverband der JN aus, sondern von der Rostocker CDU und ihrer JU. Die CDU und die JU konterkarieren in diesem Bereich auch die Ablehnung eines entsprechenden NPD-Antrages durch die Bürgerschaft aus dem Jahr 2011. Während die Mehrheit der Bürgerschaft damals geschichtsrevisionistischen, antisemitischen Bestrebungen auf dem Gebiet der Gedenkpolitik Einhalt zu bieten versuchte, greifen CDU und JU zur Freude der Neonazis nun deren Anliegen, den Namen der Ilja-Ehrenburg-Straße zu tilgen, wieder auf.

Die DKP Rostock verurteilt diese Angriffe auf Ilja Ehrenburg aufs Schärfste. Sie stellt fest, dass CDU und JU sich bei der Diffamierung Ehrenburgs ihrerseits wieder einmal auf neonazistische Propagandalügen wie die eines vermeintlichen „Vergewaltigungs“aufrufs aus der Feder Ehrenburgs berufen – also auf „Quellen“ zurückgreifen, die bereits in den 1950er und 1960er (!) Jahren aufgrund von Nachforschungen des Institut für Zeitgeschichte München (!) als Fälschungen entlarvt werden konnten, weshalb sich heute in der Regel nur noch fanatische Neonazis auf sie beziehen! Im Kern geht es CDU und JU offensichtlich darum, sich durch einen Angriff auf die antifaschistische Gedenkkultur Rostocks und gleichzeitig auf alle Rostocker jüdischer und/oder russischer Herkunft zu profilieren. Dabei schrecken sie nicht einmal davor zurück, Ehrenburg anzukreiden, sich überhaupt einer propagandistischen Aktivität zugunsten der Anti-Hitler-Koalition „schuldig“ gemacht zu haben. In der Logik der CDU/JU Rostock des Jahres 2017 hätte sich etwa auch jeder Franzose, der während der hitlerdeutschen Okkupation die Marseillaise sang, ehrenrührig verhalten.

Ilja Ehrenburg gebührt das Verdienst, zusammen mit Wassili Grossman mit dem Schwarzbuch über den Genozid an den sowjetischen Juden eine systematische Dokumentation über die planmäßige Ermordung jüdischer Sowjetbürger durch die Hitlerfaschisten geleistet zu haben. Wer dies ausblendet, greift frontal das Gedenken an die jüdischen und nichtjüdischen Opfer des deutschen Faschismus an. Als deutsche Antifaschisten gehen wir davon aus, dass Provokationen solcher Art auch im aktuellen Fall auch international nicht unwidersprochen bleiben werden, wir sind uns dessen bewusst, dass es in so unterschiedlichen Ländern wie Russland, Belarus, der Ukraine, Israel oder Frankreich eine vitale Tradition der Erinnerung an das Lebenswerk Ilja Ehrenburgs gibt.

Wir solidarisieren uns mit allen – lokalen, regionalen, nationalen und internationalen – Bestrebungen, das Gedenken des Antifaschisten Ilja Ehrenburg gegen Kampagnen wie die der CDU/JU wie der NPD/JN zu verteidigen, den revanchistischen Hasspredigern durch historische Aufklärungsarbeit argumentativ zu begegnen.

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