Antifaschismus ist nicht klassenneutral

Hiermit veröffentlichen wir den Redebeitrag von Daniel Schikora, DKP, anlässlich des Thälmanngedenkens in Rostock Reutershagen vom 16.04.2023:

Als Vertreter der DKP-Gruppe Rostock freue ich mich außerordentlich darüber, im Rahmen einer von antifaschistischen und der Friedensbewegung verpflichteten Kräften getragenen Gedenkveranstaltung zu Ehren Ernst Thälmanns zu Euch zu sprechen. Der große Kommunist, Antifaschist und Gewerkschafter Ernst Thälmann war in seinem politischen Handeln stets einer klassenkämpferischen Haltung und einem Internationalismus verpflichtet, der ihn und seine Partei in einem unversöhnlichen Gegensatz brachte zum Hauptfeind der deutschen Arbeiterklasse: zur deutschen Monopolbourgeoisie als Trägerin des deutschen Imperialismus, deren Schergen, den Hitlerfaschisten, er unerbittlich entgegentrat. Wenn gesagt wurde, Deutschland sei infolge des vom Hitlerfaschismus entfesselten Krieges 1945 besiegt worden und untergegangen, so gilt es aus unserer Sicht darauf hinzuweisen, dass nicht Deutschland damals verlor; vielmehr konnte durch Hitlers Niederlage in einem Teil des Landes – nicht zuletzt in Rostock – ein besserer deutscher Staat ins Leben gerufen werden. Dessen Territorium konnte erst nach Jahrzehnten dem deutschen Staat einverleibt werden, in dem die deutsche Monopolbourgeoisie als herrschende Klasse überlebt hatte – auch dies gehört zur Historizität dessen, wofür Ernst Thälmann stand.

Unmittelbar nach der Zerstörung der DDR und der Sowjetunion begann der deutsche Imperialismus, wieder in aggressiver Weise nationalstaatliche Grenzen in Europa infrage zu stellen und schließlich erneut gegen Jugoslawien Krieg zu führen, diesmal Seite an Seite mit dem US-Imperialismus.

Thälmann und die KPD stellten stets unmissverständlich den Zusammenhang von Faschismus und Krieg heraus: Faschismus an der Macht dient der Kriegsvorbereitung. Und tatsächlich herrscht seit 2014 Krieg in der Ukraine, dieser Krieg wurde keineswegs durch ein ominöses ‚neoimperialistisches‘ Russland 2022 in dieses Land getragen. Die Ursache der brutalen militärischen Auseinandersetzungen um die Ukraine liegt in der Osterweiterung der NATO, dem Bestreben nicht nur des US-amerikanischen, sondern auch des mit ihm sowohl konkurrierenden als auch strategisch kooperierenden deutschen Imperialismus bei der Einkreisung Russlands. Diese imperialistische Gewaltpolitik mündete seit 2014 in die offene Einmischung in innerukrainische Angelegenheiten auf der Seite profaschistischer Kräfte. Es ist unmöglich, Thälmanns als eines verfolgten und ermordeten deutschen Kommunisten zu gedenken, ohne die Verfolgung der Angehörigen der Kommunistischen Partei der Ukraine als Auftakt der flächendeckenden Unterdrückung jedweder ‚prorussischen‘ Opposition durch die Kollaborateure der NATO und der EU in Kiew hierzulande zu thematisieren und sich als Antifaschist mit den Opfern zu solidarisieren.

Keine ernst zu nehmende antiimperialistische Kraft des Planeten hat sich der einseitigen Verurteilung Russlands durch die führenden imperialistischen Mächte des ‚Westens‘ angeschlossen. Das Gros der Staaten des Trikont – Asiens, Afrikas und Lateinamerikas – verweigert sich, wo es ihm irgend möglich ist, den Sanktionen gegen Russland. In diesem Sinne hat der fortschrittliche Präsident Brasiliens, Lula da Silva, als er die VR China besuchte, den Schulterschluss mit seinen Gastgebern geübt. Dass es das sozialistische China ist, das sich an die Spitze der Staaten gestellt hat, die den imperialistischen Kriegstreibern auf globaler Ebene Paroli bieten, und die sich um einen Verhandlungsfrieden zwischen Russland und der Ukraine bemühen, ist kein Zufall. Ebenso wenig, dass es dieses Land ist, das sich derzeit im Hinblick auf Taiwan den Provokationen und Kriegsdrohungen eines Westens unmittelbar ausgesetzt sieht, der ganz offen das Recht Chinas, seine territoriale Integrität wiederherzustellen, bestreitet. Dabei hätte China auch dann, wenn es kein sozialistischer Staat wäre, selbstverständlich das Recht, seine nationale Souveränität gegenüber imperialistischem Völkerrechtsnihilismus zu verteidigen. Allerdings pochte China bereits unter Führung von Mao Zedong und Zhou Enlai unter sozialistischen Vorzeichen auf das, was ihm bis heute v. a. seitens des US-Imperialismus faktisch verweigert wird – und tut dies bis heute.

Um der deutschen Monopolbourgeoisie im eigenen Land entgegentreten zu können, bedarf es eines Antifaschismus, wie ihn Thälmann propagierte – nicht einer Art „Antifaschismus“, der sich darin gefällt, Klassengegensätze zu leugnen oder kleinzureden, um die Monopole vom Vorwurf der Faschismus-Begünstigung ausgerechnet in einer Phase freisprechen zu können, in der die Herrschenden (nicht nur in der Ukraine) keinerlei Berührungsängste (mehr) zu ‚klassisch‘ faschistischen Formationen erkennen lassen. In diesem Sinne treten wir für die programmatische Einheit von Antifaschismus, Widerstand gegen die Kriegsvorbereitung und Verteidigung demokratischer und sozialer Freiheiten der Werktätigen ein – um die Grundlagen eines antifaschistischen Deutschland und Europa schaffen zu helfen, worauf Thälmanns Martyrium uns verpflichtet.

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