20 Jahre Rostock – Lichtenhagen

Die Bilder kann man nicht vergessen: Das Sonnenblumenhaus, auf dem Dach Menschen auf der Flucht vor dem Mordanschlag. Der ausländerfeindliche Mob und die Nazis gehen bist zum Äußersten. Nach tagelangen pogromähnlichen Zuständen sind die Asylbewerber von den Behörden abtransportiert worden – geschützt wurden sie nicht. Das Ziel der Brandanschläge ist jetzt das Nachbarhaus, in dem Vietnamesen leben. Das Haus brennt, die Feuerwehr kann über Stunden nicht eingreifen, weil keine Polizeikräfte sie vor den Nazis schützen. Den Menschen gelingt im letzten Augenblick über das Dach die Flucht vor den Mördern. Dies alles geschieht unter den Augen der Polizei, die nicht eingreift, zeitweise sogar ganz abgezogen wird. Und der Mob applaudiert. Die Behörden, die über Monate nichts gegen die unhaltbaren Zustände der Unterbringung getan haben, sind anscheinend nicht präsent, der Bürgermeister stammelt einige Worte und verschwindet wieder.
1992 – 2 Jahre nach dem Zusammenbruch und der Zerschlagung des Sozialismus in der DDR – zeigen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Neonazismus, zu welchen Verbrechen deren Angehörige fähig sind. Nachdem die Bilder um die Welt gingen und die Vertreter des Kapitals um ihr „Ansehen“ und ihre weltweiten Profite fürchte, setzt Betroffenheitslyrik ein. Gegen die Täter wird kaum ermittelt, es gibt nur wenige Verhaftungen, einer der Haupttäter wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Der Einsatzleiter der Polizei, einziger Angeklagter aus dem Spektrum der staatlichen Organe, wird freigesprochen.
Rostock war nur die Spitze des Eisberges. Im Osten und Westen der Bundesrepublik gab und gibt es bis heute unzählige Anschläge und Morde durch Nazis, bis hin zur mörderischen NSU – Bande. Gründe genug, den Aufruf der VVN-BdA und anderer zu folgen und in Rostock – Lichtenhagen zu demonstrieren. Es war ein gutes Gefühl, unter einigen tausend vorwiegend junger Menschen für Antifaschismus und Toleranz zu werben. An der Spitze der Demo trugen Kinder aus Lichtenhagen das Transparent, dahinter Repräsentanten der VVN-BdA.
Wir Schleswig – Holsteiner reihten uns ein. Aber bevor der Demozug sich in Bewegung setzte, forderten zwei Ordner, dass die Parteifahne der DKP (wie auch die eventuell anderer Parteien entsprechend der Absprache im Bündnis) nur weiter hinten gezeigt werden sollte. Um Auseinandersetzungen zu verhindern, gingen wir zu anderen Genossinnen und Genossen der SDAJ und DKP, die weiter hinten um Zug waren.
Für uns ist dies nicht nachvollziehbar. Es kann nicht sein, dass die Partei, die in direkter Traditionslinie der größten Opfergruppe des Widerstandes gegen die Nazis steht, ans hintere Ende einer antifaschistischen Demonstration verbannt wird. Die DKP war und ist die Heimat jener Antifaschistinnen und Antifaschisten, die oft ein Leben lang gegen Nazis und die gesellschaftlichen Ursachen des Faschismus kämpften.
Ein allgemeines Parteienverdikt ist politisch falsch. Ebenso die Dominanz anarchistischer, autonomer und besonders antideutscher Teilnehmer, wenn, wie wir es in Rostock erlebt haben, deren Positionen in Reden und Sprechchören prägend sind. Es ist in dieser Demonstration nicht gelungen, in angemessenem Ausmaß z.B. Gewerkschaften, Bewegungsorientierte Aktivisten, Immigrantenorganisationen und die Bevölkerung Rostocks einzubeziehen. Antifaschismus gründet sich auf unterschiedliche Zugänge. Dies zu vergessen wäre eine Wiederholung alter Fehler. Parolen aber wie „Nie wieder Deutschland“ oder „Deutschland halts Maul“ sind aus unserer Sicht politisch falsch und wenig hilfreich, notwendige Mehrheiten in der Bevölkerung zu gewinnen bzw. zu festigen.
Am Ende des Zuges demonstrierten wir mit einer dänischen Antifaschistischen Gruppe, offensichtlich vom Horserød-Stutthof-Verein. Sie hatten Traditionsfahnen dabei, die nach unserer Meinung an der Spitze der Demonstration einen guten Platz gehabt hätten.
Die angesprochenen und weiter zu diskutierende Probleme sollen nicht den Gesamteindruck dieser Aktion schmälern. Es war gut und richtig, mit dieser Demonstration ein öffentlich wahrnehmbares Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Neonazismus zu setzen.

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