Naziladen – Widerstandschronik

Nach fast 3 Jahren gibt der rechte Szeneladen „Dickkoepp“ (ehemals „East Coast Corner“) zum 31.05.2010 das Geschäft auf. Eine politisch heiße Phase in der Kröpeliner Tor Vorstadt geht damit ihrem Ende entgegen, doch der Kampf ist nicht vorbei: Mitte Februar eröffnete in Dierkow der Nazi-Shop „Haugésund“ und die Büroräumlichkeiten des MdL Birger Lüssow (NPD) werden in der Doberaner Straße verbleiben.

Im Laufe des Bestehen des Naziladen kam es zu zahlreichen und unterschiedlichen Aktionen, die scheinbar notwenig waren um diesen wegzubekommen. Hier eine Chronik der Ereignisse:

2007
15.Juni: Der rechte Szeneladen „East Coast Corner“ (ECC) eröffnet in der Doberaner Straße.

21./22.Juni: Etwa 50 Antifaschisten versuchen in der Nacht das Geschäft aufzubrechen.

23./24.Juni: Etwa 150 Antifaschisten , die das Stadtteilfest der KTV besuchten, bewegen sich in Richtung ECC, wo sie auf etwa 20 Rechtsradikale treffen, die das Geschäft bewachen. Es kommt zu schweren Auseinandersetzungen bei denen 40 Festnahmen getätigt werden und 14 Polizisten Verletzungen davontragen.

Juli: Das Bündnis „Schöner Leben ohne Naziläden“ veranstaltet eine Mahnwache vor dem ECC. Anwohner beteiligen sich aktiv und zahlreich.

11.Juli: Ein Taxifahrer gibt im Auftrag eines Kunden ein Maschinengewehr im ECC ab. Der Kunde sei unzufrieden und wolle es zurückgeben. De Vries alarmiert die Polizei, die schnell feststellt, dass es sich um eine Attrappe handelt.

August: Ein frisch getrautes Paar demonstriert vor dem ECC . Auch die Front Deutscher Äpfel beteiligt sich im August mit ihren satirischen Darbietungen an den Protesten.

22.September: Unter dem Motto „Schöner Leben ohne Naziläden“ demonstrieren 1800 Menschen in Rostock gegen den Szeneladen.

November: Erneut findet eine Mahnwache vor Ort statt (etwa 200 Teilnehmer).

2008
Januar:
Ein Buttersäureanschlag verhindert die Geschäfte des Naziladens für mehrere Wochen.

April: Thorsten de Vries gibt die Geschäftsführung des ECC ab. Angeblich trennte sich Inhaber Torben Klebe aufgrund seines gewaltbereiten Umfeldes von de Vries. Es kommt zu Spekulationen über eine Schließung.

Juni: Der neuer Geschäftsführer und Inhaber Torben Klebe gibt auf. Es kommt zur Schließung des ECC. MdL Birger Lüssow (NPD) führt den Laden unter neuem Namen „Dickkoepp“ weiter .

16.Juni: 120 Menschen protestieren anlässlich des einjähriges Bestehen des Naziszeneladens.

23./24.Dezember: NPD- Internetauftritt berichtet von einem erneuten Anschlag auf den Szeneladen. So sollen gegen ein Uhr nachts Antifaschisten die Jalousien des Geschäftes aufgehebelt, Scheiben eingeschlagen und rote Farbe in den Laden geworfen haben.

2009
21.Oktober:
Brandanschlag auf den Naziladen: Unbekannte betreten den Laden gegen 18.00 und schleudern einen Brandsatz. Es kommt zu starker Rauchentwicklung. Die Doberaner Straße wird zeitweilig für den Verkehr gesperrt.

2010
Mitte Februar: Ein neuer Naziladen eröffnet unter dem Namen „Haugésund“ in Dierkow.

09.April: Die NPD bestätigt offiziell die Gerüchte um die Aufgabe des Szene-Shops in der Doberaner Straße.

29.Mai: Gegen 20Uhr findet eine ‚Abschiedsfeier’ vor dem Naziladen statt. Fröhliche Musik, Konfettischlacht, Luftschlagen und rosa Rauch bringen die Freude und den Hohn zum Ausdruck, dass der Naziladen endlich weg ist!

Es stellt sich die Frage, warum die Doberaner Straße, die mitten im linksalternativen Studentenviertel Rostocks liegt, als Standort für einen rechten Szene-Shop ausgewählt wurde. Denn anders als die bisherigen Naziläden setzte das Konzept des ECC nicht auf Umsätze durch die bereits existierende rechtsradikale Szene Rostocks. Seit 2004 verfolgt die NPD eine „4-Säulen-Taktik“: der Kampf um die Straße, der Kampf um die Köpfe, der Kampf um die Parlamente und der Kampf um den organisierten Willen bestimmen die Taktik der Faschisten. Das Projekt Naziladen in der KTV erfüllt diese Punkte.
– Kampf um die Straße: Der ursprüngliche Inhaber des ECC Torben Klebe ist bekannt für seine zielgerichteten Provokationen gegen die linke Szene. So veranstaltete er im Oktober 2005 ein als Geburtstagsparty getarntes Rechtsrock-Konzert mitten im Hamburger Stadtteil St.Pauli, dem etwa 450 Demonstranten entgegen traten. Mehr noch als Provokation steht wohl jedoch der Versuch dahinter rechtsradikales Gedankengut in alle Bereiche der Gesellschaft zu tragen, auch in jene, die diesem nie wohlgesonnen gegenüber standen. Es soll eine Brücke gebaut werden, die die Normalisierung faschistischen Gedankengutes und Auftretens ermöglicht, in einem Viertel in dem der Stimmanteil der NPD bei Wahlen stets deutlich unter 5% liegt.
De Vries behauptet jedoch, dass der Standort Doberaner Straße nicht absichtlich gewählt wurde und beklagt sich, dass es keine Warnungen durch Rostocker Kameraden gab.
– Kampf um die Köpfe: Die Verbreitung von Musik mit rechtsradikalen Inhalten gehört zur Taktik der NPD um Jugendliche in die rechte Szene zu integrieren. Denn immer noch steht hier die Teilnahme an subkulturellen Aktivitäten im Vordergrund und nicht etwa das politische Engagement. Texte dienen der Indoktrinierung, Konzerte der personellen Integration und Verknüpfung. Rechtsrock wurde auch im ECC, später im Dickkoepp vertrieben. Selbstverständlich bedenkt man die Rolle die Klebe in der 2000 Verbotenen Organisation „Blood & Honour“ als Veranstalter einschlägiger Konzerte spielte und, dass der Geschäftsführer des ECC bis April 2008 Thorsten de Vries Gründer des rechte Labels „Street-Rebel“ ist. Auch nach der Beendigung seiner offiziellen Arbeit für „Blood & Honour“ organisierte Klebe Konzerte in Jugendklubs in verschiedenen norddeutschen Städten.
– Kampf um die Parlamente: Bekanntermaßen unterhält Birger Lüssow in anliegenden Räumen des Szeneladens sein „Birgerbüro“, das wohl auch nach Schließung des „Dickkoepp“ erhalten bleiben wird. Die Fraktion der NPD im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns wird also direkt aus der Doberaner Straße unterstützt. Nicht genug: umgekehrt profitiert der Naziladen von staatlichen Geldern, die dem MdL für seine Arbeit zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommt, dass das NPD- Mitglied de Vries massiv Wahlkampf in Mecklenburg und Vorpommern betreibt.
– Kampf um den organisierten Willen: Hiermit meint die Taktik der NPD die Verknüpfung der parteipolitischen Arbeit mit den freien Kameradschaften, die strikte Organisation der rechten Szene, die ideologisch keinesfalls homogen ist, und letztlich die Übernahme der Leitung aller rechtsextremen Kräfte. Die Verknüpfung verlief im „Ostküsteneckchen“ perfekt. Sowohl Klebe als auch sein Geschäftsführer Thorsten de Vries sind keine Unbekannten in der freien Kameradschaftsszene. So war Klebe selbst Anführer des „Hamburger Sturms“, dem auch de Vries angehörte, der des weiteren Chef des „Deutschen Kameradschaftsbundes“ in Wilhelmshaven war.

Eben wegen des taktischen Hintergundes des Projektes „Naziladen in der KTV“ ist die Schließung am 31.Mai 2010 ein Erfolg für das gesamte linke Spektrum, den es zu feiern gilt! Nun gilt es die Proteste gegen den neuen Szeneladen in Dierkow und jeden weiteren in Mecklenburg-Vorpommern fortzuführen!
Die Vielfalt der Aktivitäten, die seit der Eröffnung des ECC im Juni 2007 genutzt wurden um gegen die Etablierung der rechten Szene im alternativen Viertel Rostocks zu protestieren, sucht im Nordosten seines gleichen: Mahnwachen, Demonstrationen, Satire, Konzerte … und unorganisierter Protest wie etwa der Buttersäureanschlag im Januar 2008.
Erstaunlich war und ist die Anteilnahme „normaler“ BewohnerInnen der Rostocker KTV an den Protesten gegen die Nazis. Zweifelsohne ist die politische Polarisierung der KTV-BewohnerInnen eher zu Ungunsten der Nazis verlaufen. Neben der Aufrechterhaltung der positiven Unterstützung der Bevölkerung in der KTV ist es Pflicht diese auch nach Dierkow und in jeden anderen Stadtteil Rostocks zu tragen. Die Proteste müssen in erster Linie geprägt sein durch kreative Aktionen, politische Aufklärung und Aktivierung.
Gewaltsame Aktionen haben in der KTV Wirkung gezeigt, die personellen Strukturen des Szeneladens zermürbt und zur Aufgabe des Geschäfts geführt, dürfen das Bild der Proteste in Dierkow jedoch nicht prägen.

Dieses war der erste Streich und der zweite folgt… in Dierkow!

Antifaschismus ist Pflicht!

(Ergänzungen der Chronik bitte an webmaster[at]dkp-mv.de)

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