8. Mai in Rostock: Den Profiteuren des Faschismus muss das Handwerk noch gelegt werden

An der Rostocker Kundgebung der DKP, SDAJ, des Rotfuchs, Rostock Hart Backbord sowie der Grundorganisationen Nordost und Reutershagen der Linken nahmen mehr als 30 Personen teil. Folgend veröffentlichen wir den Redebeitrag, den unser Genosse Daniel Schikora auf dem Puschkinplatz hielt:

Liebe Freunde, liebe Genossen, liebe Kameraden,

am heutigen und morgigen Tag jährt sich zum 75. Mal der Tag der Befreiung: Der 8. und der 9. Mai stehen für die Befreiung Europas und der Welt von der Geißel des Hitlerfaschismus. Die militärische Niederringung der Mordmaschinerie Nazideutschlands durch die Anti-Hitler-Koalition erforderte ungeheure Opfer; an dieser Stelle sei ausdrücklich auf den schrecklichen Blutzoll verwiesen, den besonders die Völker der Sowjetunion für die Verteidigung der Zivilisation erbringen mussten, auf die 27 Millionen sowjetischer Bürger, die zwischen dem 22. Juni 1941 und dem 9. Mai 1945 einen gewaltsamen Tod fanden. Dank euch, ihr Sowjetsoldaten! Dank an alle, die in den alliierten Armeen einschließlich der Partisanenarmeen ihr Leben für unsere Freiheit gaben!

Ja, auch unter den gegebenen Umständen gilt: Wir bleiben politisch, auch und gerade am 8. Mai. Wir erinnern daran, dass die Vernichtung des Faschismus mit seinen Wurzeln nicht zuletzt in Deutschland eine bleibende politische Herausforderung darstellt.

Eine Reihe bestialischer neofaschistischer Morde der jüngsten Vergangenheit – an herausragender Stelle sind hier der versuchte antisemitische Anschlag in Halle im Oktober 2019 und der rassistische Amoklauf in Hanau im Februar dieses Jahres zu nennen – haben eine breitere demokratische Öffentlichkeit aufgerüttelt. Dies gilt auch für die Aufdeckung zahlreicher rechtsextremistischer bis hin zu terroristischen Aktivitäten u. a. in Bundeswehr und Polizei. Nicht hinzunehmen ist in diesem Zusammenhang jeder Versuch, solche faschistischen Umtriebe kleinzureden, ihre Träger teilweise von strafrechtlicher Verfolgung zu verschonen – um gleichzeitig das Fortleben der Keimzellen des Faschismus auch noch zu nutzen, um Sicherheitsapparate wie den sog. Verfassungsschutz durch Kompetenzerweiterungen zu stärken. Es liegt auf der Hand, dass Neofaschismus nur bekämpft werden kann, wenn auch den staatlichen Förderern neofaschistischer Mobilisierung die Waffen aus den Händen geschlagen werden. Spätestens mit der selbst in bürgerlichen Leitmedien wie etwa der FAZ bisweilen thematisierten Verstrickung des sog. Verfassungsschutzes in die Bluttaten des NSU ist offenkundig: Dieser Inlandsgeheimdienst, der bis heute an seinem Feindbild Antifaschismus festhält, hat in einer bürgerlichen Demokratie nichts zu suchen, er muss aufgelöst werden im Interesse eines echten Republikschutzes.

Unser Blick sollte sich über diese gefährlichen innenpolitischen Entwicklungen hinaus aber auch auf die deutsche Außen- und Europapolitik richten. Schließlich wurden in einer Reihe europäischer Staaten auch durch die deutsche Hegemonialpolitik in der EU rechtsextreme, den Völkerhass schürende Bestrebungen gestärkt. In den baltischen Frontstaaten der EU ebenso wie in der Ukraine hat Berlin stets Kräften Rückendeckung gegeben, die ihren Russlandhass von jeher verbunden haben mit einer offenen Verherrlichung der Hitler-Kollaborateure ihrer Länder und mit Angriffen auf die bürgerlich-demokratischen Rechte antifaschistischer Parteien und Vereinigungen.

Der bis heute ungeahndete Pogrom von Odessa in der Südukraine, der sich am 2. Mai das sechste Mal jährte, führt vor Augen, mit welchen Kräften die Verteidiger der „Werte- und Interessengemeinschaft“ Europa zusammenzuarbeiten bereit sind, wenn es für sie hart auf hart kommt. Im übrigen habe ich mit der „Werte- und Interessengemeinschaft“ Europa einen gewissen Joschka Fischer zitiert, der kürzlich wieder einmal darüber gejammert hat, dass den Deutschen der Pazifismus bis heute nicht ausgetrieben werden konnte – Joschka Fischer, der – zur Erinnerung – 1999 an der Spitze der deutschen Diplomatie stand, als es darum ging, den Überfall auf Jugoslawien vorzubereiten und zu rechtfertigen.

In einer deutschen Tageszeitung erschien heute ein ausführlicheres Statement zum Kriegsende, in dem es allen Ernstes heißt: „In den Jahren nach dem Blutvergießen wurden leider nur das Naziregime und seine Ideologie vor Gericht gestellt. Die für seine Verbrechen verantwortlichen Personen wurden in Nürnberg verurteilt. Die Sowjetunion unter der Führung ihrer nicht weniger totalitären kommunistischen Partei wurde hingegen – als Sieger des Krieges – ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat.“ Das Zitat stammt nicht aus irgendeiner AfD-Postille, die ihre eigenen Leute zu Wort kommen lässt, sondern aus dem Verlautbarungsorgan der deutschen Monopolbourgeoisie, der FAZ. Die Autoren dieses Pamphlets sind die Außenminister Litauens, Lettlands, Estlands und der Ukraine, die sich hier gern als erinnerungspolitische Minenhunde Deutsch-Europas profilieren – auch an einem 8. Mai, 75 Jahre nach der Befreiung Europas.

Der Ungeist nationalchauvinistischer Mobilmachung, die durchaus auch unter europäischer Flagge erfolgen kann, erlebten wir in der leidenschaftlichen Kampagne deutscher Leitmedien gegen den Brexit – und damit gegen das britische Volk –, wir erleben ihn heute innerhalb der „Rest-EU“ z. B. in willkürlichen deutschen Grenzschließungen gegenüber der französischen Region Grand Est und in einer Intensität von Anfeindungen französischer Bürger in den deutschen Grenzregionen, die in Frankreich derzeit selbst in ausgesprochen deutschfreundlichen Kreisen Irritationen hervorruft.
Als Antifaschistinnen und Antifaschisten verurteilen wir dieses erneute Auflodern von Völkerhass selbst innerhalb des vermeintlichen Friedensprojekts EU. Und wir verurteilen gleichermaßen, wenn „Europa“ im Munde geführt wird, um eine Politik der Sanktionen und Kriegsdrohungen gegen Russland, China und einige andere Staaten zu rechtfertigen.
Die wilden Verleumdungen der imperialistischen Staaten, vorneweg auch der BRD, gegen die Volksrepublik China sind ein weiterer offener Angriff auf die Prinzipien der souveränen Gleichheit der Staaten. Sie stellen also unmittelbar die Errungenschaften des 8. Mai, des Sieges der Anti-Hitler-Koalition infrage. Vergessen wir nie: Damals wurde mit dem Weltsicherheitsrat ein Gremium geschaffen, dem neben den USA, Großbritannien und Frankreich auch die Sowjetunion – heute Russland – und China als ständige Mitglieder angehörten und angehören. Dem imperialistischen Deutschland hingegen ist es – auch in jüngster Vergangenheit – nie gelungen, seinerseits den Status einer Vetomacht im Sicherheitsrat zu erlangen oder wenigstens den Status der Siegermächte Frankreich und Großbritannien zu „europäisieren“. Das Scheitern des deutschen Imperialismus, auch auf dieser Ebene die ihm verhassten Resultate des Mai 1945 zu revidieren, ist ein erfreulicher Umstand, der zu verteidigen ist.

Wenngleich unter den gegebenen Umständen die NATO-Kriegstreiber ihre Defender2020-Provokation vorerst auf Eis legen mussten, besteht die Gefahr für den Frieden in Europa fort. Somit bleibt auch unser Appell an Ministerpräsidentin Schwesig vom 10. März aktuell: „Wir appellieren an die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern und an Sie persönlich, sich auch im Falle der Kriegsprovokation ‚Defender 2020‘ dieser Position, der Position des Friedens und der Verständigung, anzuschließen.“

Als Kommunistinnen und Kommunisten treten wir seit langem dafür ein, den heutigen Gedenktag, wie er in Mecklenburg-Vorpommern ja seit 2002 besteht, in den Rang eines arbeitsfreien Feiertages zu erheben, und zwar nicht einmalig, sondern selbstverständlich auf Dauer. Dass der heutige Tag, der 8. Mai 2020, nicht einmal zu einem einmaligen gesetzlichen Feiertag erklärt wurde – wie es im letzten Jahr die Partei Die Linke vorschlug –, haben die Arbeitgeber v. a. dem energischen Protest der Regierungspartei CDU zu verdanken. Deren rechtspolitischer Sprecher tobte damals: „Alle paar Wochen kommt die Fraktion Die Linke mit einer neuen Feiertagsidee um die Ecke – Kindertag, Frauentag, und jetzt ein Feiertag anlässlich des Kriegsendes 1945“. Ein Bilderbuchbeispiel dafür, wie wenig Antifaschismus und Anti-Antifaschismus klassenneutral sind.

Auch auf Bundesebene unterstützt die DKP die Forderung der VVN-BdA und des DGB, den 8. Mai zu einem gesetzlichen Feiertag zu machen. Unsere Erinnerung an den 8. Mai bleibt verbunden mit der Verpflichtung des Schwurs von Buchenwald: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“ Den Trägern und Profiteuren des Faschismus in unserem Land muss das Handwerk noch gelegt werden.

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